Biographie Johann Wilhelm Wilms

Biografie

Johann Wilhelm Wilms


1772 wird Johann Wilhelm Wilms als viertes Kind des lutherischen Dorfschulmeisters, Küsters und Organisten Johann Wilms und dessen zweiter Ehefrau Christina Braches zu Witzhelden im Bergischen Land geboren. Die Taufe findet am 30. März 1772 statt.
1776 stirbt seine Mutter.
Johann Wilhelm Wilms erhält musikalischen Unterricht von seinem Vater, später auch von seinem ältesten Bruder Peter Johann und dem Pfarrer des Dorfes, Johann Gerhard Stolle. Wilms spielt Flöte und Klavier, vertritt den Vater gelegentlich an der Kirchenorgel und beginnt frühzeitig zu komponieren.
1785 übernimmt J. G. Stolle eine Pfarrstelle in der benachbarten Stadt Lüttringhausen, heute Ortsteil von Remscheid. Wilms folgt ihm nach und versucht sein Glück als Musiklehrer.
1789 wird Peter Johann Wilms zum Lehrer an der lutherischen Pfarrschule in Elberfeld ernannt. Sein Vertrag genehmigt ausdrücklich das Erteilen privater Musikstunden. Bald darauf übersiedelt sein jüngerer Bruder Johann Wilhelm Wilms von Lüttringhausen nach Elberfeld.
1791 Im Sommer reist Johann Wilhelm Wilms nach Amsterdam. Er teilt seinem überraschten Vater mit, in der Stadt bleiben zu wollen.
Er nimmt Unterricht bei dem aus Sachsen stammenden muziekmeester Georg Casper Hodermann, spielt Flöte in mehreren Orchestern, macht als Klavierimprovisator in den Salons der Stadt auf sich aufmerksam und entwickelt sich als Solist fremder und eigener Klavierkonzerte mit dem Orchester der Gesellschaft Felix Meritis zum angesehensten Pianisten in Amsterdam. Er erteilt Privatunterricht im Klavierspiel, dann auch in Komposition.
1793 erscheint vermutlich zum ersten Mal ein Werk von J. W. Wilms im Druck: Grande Sonate pour le Pianoforte.
1796 gründen J. W. Wilms und fünf weitere junge Musiker, unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen in ihren Orchestern, ein sich selbst verwaltendes Instrumentalensemble, das Collège Eruditio Musica. Rasch erwirbt sich dieses Orchester durch ausgedehnte, intensive Probenarbeit und interessante Programme auch im Ausland den Ruf, Amsterdams beste Konzerteinrichtung zu sein.
J. W. Wilms ist bevorzugter Klaviersolist des Ensembles und widmet diesem seine Sinfonien in C-Dur op. 9 und F-Dur op. 10.
1798 nimmt die Allgemeine musikalische Zeitung in Leipzig (AmZ) vom Komponisten J. W. Wilms Notiz: hochachtungsvoll rezensiert sie die Variationen für Flöte und Klavier über „Nel cor più non mi sento“, ediert bei Hummel in Berlin. Die Komposition wird von mehr als zehn Verlegern in Deutschland und England während der folgenden Jahre nachgedruckt.
1805 heiratet J. W. Wilms seine 14 Jahre jüngere Schülerin Nicoletta Theodora Versteegh, Tochter eines Amsterdamer Kunstsammlers und Mäzens.
J. W. Wilms widmet ihr zwölf Variationen über die Romanze „Je suis encore dans mon Printemps De L‘opera d’une Folie“.
1806 gelingt J. W. Wilms mit seiner Sinfonie op. 9, dem Klavierkonzert op. 12 und der Violinsonate op. 11 der internationale Durchbruch als Komponist.
1807 preist die AmZ den Fünfunddreißigjährigen als einen der „geistreichsten, lebhaftesten und ausgebildetsten Künstler“ der Zeit - obwohl nur die Hälfte seines Werks außerhalb der Niederlande bekannt ist: J. W. Wilms gibt seine Kompositionen erst in Druck, nachdem sie sich in öffentlichen Konzerten bewährt haben.
1808 ernennt man J. W. Wilms zum Mitglied des Koninklijk Instituut van Wetenschappen, Letterkunde en Schoone Kunsten, das König Louis Napoleon gerade in Amsterdam gegründet hat.
Bis an sein Lebensende streitet J. W. Wilms hier für Verbesserungen im niederländischen Musikleben.
1811 erklingt J. W. Wilms‘ C-Dur Sinfonie op. 9 zum fünften Mal innerhalb von fünf Spielzeiten im Gewandhaus zu Leipzig.
1813 ist der größte Teil von J. W. Wilms‘ bisherigem Oeuvre im Druck erschienen: je vier Sinfonien und Klavierkonzerte, ein Flötenkonzert, je zwei Klaviertrios, Streich- und Klavierquartette, mehrere Violin-, Flöten- und Klaviersonaten sowie einige Variationszyklen über beliebte Themen der Zeit für Duobesetzungen oder das Pianoforte allein.
Doch einen plötzlichen und über die nächsten Jahre währenden Anstieg seines ohnehin beträchtlichen Anteils am Amsterdamer Konzertrepertoire verdankt er der Fähigkeit, musikalisch effektvoll auf die sich verändernde politische Lage zu reagieren.
Den Anfang machen Variationen über die vorrevolutionäre Nationalhymne der Niederlande.
1814 oder vielleicht schon früher beginnt J. W. Wilms geheimgehaltene, einige Jahre andauernde Berichterstattertätigkeit für die AmZ. Mit seinen kritischen Anmerkungen zum Amsterdamer Musikleben hofft er in seiner Wahlheimat „Nutzen zu stiften.“
1815 komponiert J. W. Wilms aus aktuellstem Anlass ein explizit programmusikalisches Werk: „Die Schlacht von Waterloo oder La Belle-Alliance“, eine der ganz wenigen Kompositionen, die seinen Namen ins 20. Jahrhundert tragen.
J. W. Wilms äußert sich öffentlich - inkognito und frei heraus - zu seiner Situation als Komponist in Amsterdam: „Hätten Haydn, Mozart u.a. hier gelebt, sie würden das wol nicht geworden seyn, was sie waren; sie hätten hier den lieben langen Tag Unterricht geben müssen, wodurch ihr Genius, wo nicht erstickt worden, wenigstens abgemagert wäre.“
1816 erhält J. W. Wilms im Wettbewerb um eine Nationalhymne für das junge Königreich der Niederlande die beiden ersten Preise - ein Danaergeschenk: denn nun erwartet die breite Öffentlichkeit vom populären Barden der Nation erst recht Populäres und Vaterländisches sowie unentgeltlichen Rat und Beistand in allen Fragen des musikalischen Lebens, d.h. J. W. Wilms‘ Zeit zum Komponieren, schon immer allzu knapp bemessen, schrumpft weiter und wird vor allem zur Anfertigung musikalischer Tagesware verwandt.
1820 erhält J. W. Wilms von der Société des Beaux-Arts in Gent den ersten Preis im Wettbewerb „Pour une Symphonie à grand orchestre“ zuerkannt; diese, seine sechste Sinfonie, entstand etwa zwölf Jahre nach der fünften.
1821 bringt J. W. Wilms‘ Frau ein totes Kind zur Welt; wenige Wochen danach stirbt sie im Alter von fünfunddreißig Jahren.
1822 hält J. W. Wilms im Koninklijk Instituut einen Vortrag „Over de Toonkunst en derzelver uitwerking“ - Summe seines bisherigen Denkens über Musik. Tod der Tochter Maria Hermina und des Schwiegervaters Dirk Versteegh.
1823 beginnt J. W. Wilms sich aus dem öffentlichen Konzertwesen zurückzuziehen: er gibt seine Stelle als Flötist im Orchester Felix Meritis auf und übernimmt das Amt eines Organisten der Mennonitischen Gemeinde Bij’t Lam. Dem in Amsterdam gastierenden Johann Nepomuk Hummel gesteht er: „Ich bin nur ein armer musikalischer Taglöhner.“
1824 beendet J. W. Wilms seine Solistenkarriere mit Klavierkonzerten bei der Gesellschaft Felix Meritis und dem Collegium Eruditio Musica. Diese einst maßstabsetzende, von J. W. Wilms mitbegründete Einrichtung löst sich mit Ende der Spielzeit auf. J. W. Wilms übernimmt es von nun an, mindestens eine weltliche Kantate größeren Formats pro Jahr zu komponieren. Auftraggeber ist vor allem die Maatschappij tot Nut van’t Algemeen.
1826 lehnt J. W. Wilms mit Rücksicht auf seine Privatschüler einen Lehrauftrag an der Königlichen Musikschule zu Amsterdam ab.
1830 wird J. W. Wilms zum Verdienstmitglied der ein Jahr zuvor gegründeten Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst ernannt. Er ist für sie - wie schon beim Koninklijk Instituut - als Gutachter eingesandter Kompositionen tätig.
1834 fühlt J. W. Wilms sich veranlasst, dem Vorstand der Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst zu erklären: „...als een Muziekstuk goed is, dan doet het niets ter zaak van welke natie de maker is, al was hy een Turk of Chinees.“
Die Aufführungszahlen Wilms‘scher Werke sind rückläufig.
1835 verleiht die Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst ihrem unbequemen Juror die Ehrenmitgliedschaft.
1836 sucht J. W. Wilms per Zeitungsannonce die Partitur seiner letzten, der siebten Sinfonie. Zusammen mit zwei Konzertouvertüren und einem virtuosen Flöten-Concertino gehört sie zu den unbeachteten Meisterwerken seiner letzten Schaffensjahre.
1838 eskaliert die jährliche Auseinandersetzung um die Honorierung seiner Kantate für die Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst zum endgültigen Zerwürfnis mit der Gesellschaft.
1840 erlebt J. W. Wilms die Genugtuung, dass eine junge Kollegengeneration seinen alten Kampf um künstlerische und gesellschaftliche Emanzipation der Berufsmusiker in Amsterdam wieder aufnimmt; er tritt als Mitglied No. 1 der Genossenschaft Caecilia bei. Deren hervorragendes Orchester ist Vorfahr des heutigen Concertgebouw Orkest.
1841 kündigt J. W. Wilms - enttäuscht und verärgert - der Maatschappij tot Bevordering der Toonkunst die Mitarbeit auf.
1842 wird J. W. Wilms bei der Verleihung des Ordens „Van den Nederlandschen Leeuw“ an einen holländischen Musiker übergangen. Es gibt erfolglosen Protest.
1844 findet die letzte nachweisbare Aufführung eines Wilms‘schen Orchesterwerks zu Lebzeiten in Amsterdam statt.
1845 muss J. W. Wilms sich häufiger aus Krankheitsgründen in seinem Organistenamt vertreten lassen. Drei Kinderlieder von ihm erscheinen im Druck.
1846 geht der Vierundsiebzigjährige, müde und fast erblindet, als Organist in Pension.
1847 Am 19. Juli 1847 stirbt Johann Wilhelm Wilms. Freunde, Verwandte und Kollegen der Genossenschaft Caecilia begleiten „Vader Wilms“ zur letzten Ruhe in die Amsterdamer Zuiderkerk, wohl wissend, dass er, „een der trouwste vrienden“, der Mann gewesen ist, „die ten onzent zoo veel tot de betere rigting der kunst in de laatste dertig jaren had bijgedragen.“
Ein Gedenken von offizieller Seite findet nicht statt.

Johann Wilhelm Wilms – Von Dr. Bert Hagels

„Grenzgänge(r) um 1800“ hieß vor einigen Jahren eine wissenschaftliche Tagung, die sich mit Leben und Werk von Johann Wilhelm Wilms (1772-1847) beschäftigte. Und in der Tat, ein Grenzgänger war Wilms in mehrerlei Hinsicht: in geographischer als gebürtiger Deutscher, der sein künstlerisch tätiges Leben in den Niederlanden verbrachte, in chronologischer als ein Komponist, der noch ganz unter dem Eindruck von Haydn und Mozart zu komponieren begann und dessen späte Orchesterwerke die Musiksprache der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erahnen lassen. Und schließlich auch ein Grenzgänger in biographischer Hinsicht, ein alleinerziehender Vater von vier Kindern, der nach dem frühen Tod seiner Ehefrau entgegen zeitgenössischen Gepflogenheiten nicht wieder heiratete, sondern – das legen die Quellen nahe – seine künstlerische Existenz den familiären Erfordernissen unterordnete.
Wilms‘ genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt. Getauft wird er jedenfalls am 30. März 1772 als viertes Kind des lutherischen Lehrers, Küsters und Organisten Johann Wilms und seiner zweiten Ehefrau Christina, geb. Braches in Witzhelden, einer Gemeinde im Bergischen Land, die heute zur Stadt Leichlingen gehört. Seine Mutter stirbt, als er vier Jahre ist. Sein Vater heiratet erst nach neunjähriger Witwerzeit zum dritten Male. Einfach dürfte Wilms‘ Kindheit und Jugend nicht gewesen sein; Dorfschulmeister waren chronisch unterbezahlt und arbeitsmäßig überlastet; und im Haushalt Wilms wuchsen neben Johann Wilhelm wahrscheinlich fünf Geschwister auf. Gleichwohl unterrichtete der Vater den Sohn und erteilte ihm auch Musikstunden; Klavier und Flöte waren seine bevorzugten Instrumente. Johann Wilhelms älterer Bruder Peter Johann unterstützte den Vater darin, bevor sich der örtliche Pfarrer Johann Gerhard Stolle seiner Ausbildung annahm. Das Verhältnis scheint sehr eng gewesen zu sein, denn als Halbwüchsiger folgte der junge Wilms seinem Lehrer nach Lüttringhausen (heute ein Ortsteil von Remscheid), um sich dort als Musiklehrer niederzulassen. Sei’s, dass sich nicht genügend Schüler fanden, sei’s, dass Wilms die Enge des kleinen Orts bedrückend fand –, lange hielt er sich nicht in Lüttringhausen auf; mit etwa 17 Jahren zog es ihn nach Elberfeld (heute ein Teil von Wuppertal). Sein älterer Bruder Peter Johann hatte 1789 eine Stelle als Lehrer in der dortigen lutherischen Pfarrschule angetreten. Doch auch hier war seines Bleibens nicht lange; im Frühsommer 1791 zieht der 19jährige weiter nach Amsterdam, anfangs nur besuchsweise, aber im August teilt Wilms seinem Vater brieflich mit, dass er in Amsterdam zu bleiben gedenke.
Der junge Wilms hatte sich offenbar der Möglichkeiten versichert, die ihm die niederländische Metropole bot: Bereits in der nächsten Konzertsaison wirkte er als zweiter Flötist in mehreren Orchestern mit. Er versammelte etliche Klavierschüler um sich und nahm selbst Kompositionsunterricht beim sächsischen Exilanten Georg Casper Hodermann (1740-1802), dem nach dem Tod Joseph Schmitts (1734-91) wohl bedeutendsten Komponisten Amsterdams. Auch als Pianist machte Wilms sich alsbald einen Namen. Seine Improvisationen vermochten das Publikum – so ein früher Biograph – „durch äußerst gelehrte und überraschende Modulationen zu verwundern und zu erstaunen und es so gleichsam an sich zu fesseln.“ In den Konzerten der Gesellschaften Felix Meritis und Hamonica wird er zum gefragten Solisten. 1796 gründet Wilms mit fünf Gesinnungsgenossen, allesamt Profimusiker, das Konzertinstitut Eruditio Musica, die erste hauptsächlich von Berufsmusikern getragene Konzertgesellschaft in Amsterdam, in deren Veranstaltungen Wilms als Pianist und zunehmend auch als Komponist in Erscheinung trat.
Ab etwa 1793 begannen seine Kompositionen im Druck zu erscheinen. Alsbald wurden sie über die Grenzen Amsterdams hinaus bekannt. Im Jahr 1798 wurde erstmals ein Werk von ihm, die Variationen über Paisiellos Duett Nel cor più non mi sento für Flöte und Klavier, in der in Leipzig erscheinenden Allgemeinen Musikalischen Zeitung rezensiert. Die Widmungen der in den folgenden Jahren veröffentlichten Werke belegen, dass Wilms Zugang zu den das Amsterdamer kulturelle Leben tragenden vermögenden Familien hatte. Im Dezember 1805 ehelichte er Nicoletta Theodora Versteegh (1786-1821), die Tochter eines begüterten Kunstsammlers, mit dem er befreundet war. Er galt nun neben Carolus Antonius Fodor (1768-1846), dem Dirigenten der Konzerte sowohl von Felix Meritis (ab 1801) als auch der Eruditio Musica (ab 1802), als bedeutendster Pianist und Komponist Amsterdams.
Bereits im August 1804 hatte der Leipziger Verleger Ambrosius Kühnel (ab 1814 C. F. Peters) mit ihm Kontakt aufgenommen, seit Ende 1805 erschienen viele seiner Werke in den großen Leipziger Verlagen Kühnel, Breitkopf & Härtel und Hofmeister. Einige Zeit, bezeugt ist es für die Jahre 1814 und 1815, war er auch als Amsterdamer Korrespondent der Allgemeinen Musikalischen Zeitung tätig. 1808 wurde er in das gerade gegründete Koninklijk Instituut van Wetenschappen, Letterkunde en schoone Kunsten gewählt. An äußeren Erfolgen mangelte es ihm nicht. Nach Ende der Befreiungskriege erhielt seine Popularität einen großen Schub, als seine Orchestervariationen über das Nationallied Wilhelmus van Nassouwe zu einem Dauerbrenner in den Konzerten von Felix Meritis wurden und er mit der Komposition zweier patriotischer Lieder einen Wettbewerb gewann. Das eine dieser Lieder, Wien Neêrlandsch bloed, diente den Niederlanden bis 1932 als Nationalhymne. Trotz seines derart angewachsenen Renommés als Komponist gelang es ihm jedoch nie, Orchestertätigkeit und Klavierunterricht zu Gunsten eines Lebens als freier Komponist aufzugeben. Seinen eigenen Worten zu Folge waren seine Werke „nur Früchte der Stunden [...], welche ihm nach seinen vielfältigen und ermüdenden Tagesgeschäften übrig blieben.“ Und dem im Herbst 1823 in Amsterdam gastierenden Kollegen Johann Nepomuk Hummel gegenüber äußerte er: „Ich bin nur ein armer musikalischer Tagelöhner.“
Schicksalsschläge veränderten sein Leben. Am 17. September 1821 starb seine Ehefrau Nicoletta Theodora, kurz nachdem sie ein totes Kind zur Welt gebracht hatte. Wilms war nunmehr alleinerziehender Vater von vier Kindern, von denen zwei, wie es in der Todesanzeige hieß, „ihren Verlust noch nicht begreifen“ konnten. Im darauffolgenden Jahr musste er eine zweieinhalbjährige Tochter sowie seinen Schwiegervater und Freund Dirk Versteegh zu Grabe tragen. Er zog sich schrittweise aus der Öffentlichkeit zurück und stellte seine berufliche Existenz mit der Übernahme der Organistenstelle bei der Mennonitischen Gemeinde Het Lam zum 1. August 1823 auf eine neue Basis. In der ersten Jahreshälfte 1823 hatte er zum letzten Mal dem Felix Meritis-Orchester als Pianist und zweiter Flötist zur Verfügung gestanden, und die Eruditio musica löste sich auf Grund interner Schwierigkeiten nach Ablauf der Spielzeit 1823/24 auf. Auch als Komponist zog sich Wilms allmählich zurück. Er konzentrierte sich seit Beginn der 1820er Jahre auf die Komposition von zumeist nicht publizierten Gelegenheitswerken, etwa für die Jahresversammlungen der philanthropischen Maatschappij tot Nut van’t Algemeen (Gesellschaft zum Nutzen der Allgemeinheit), für die er zwischen 1824 und 1838 alljährlich eine Kantate für Soli, Chor und Orchester schrieb. Doch er komponierte auch eine siebente Symphonie, deren erster Satz im April 1836 in einer vielbeachteten Aufführung in Amsterdam der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, sowie fünf Ouvertüren, deren Anlass und Bestimmung unbekannt sind. Alle diese Werke blieben zu Wilms‘ Lebzeiten unveröffentlicht.
Im Druck erschienen nach 1823 nur mehr einzelne Klaviervariationen, Lieder und – insbesondere zur Zeit der Belgischen Revolution 1830 – patriotische Gesänge. Zunehmend verschwanden seine Werke auch von den Konzertprogrammen; in Leipzig, wo seine Sinfonien im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts großes Interesse erregt hatten, erklang nach 1820 kein Werk von Wilms mehr, und selbst in Amsterdam, wo die Aufführungszahlen seiner Werke in den 1820er Jahren noch die Beethovenscher Kompositionen übertroffen hatten, erlosch allmählich das Interesse an seiner Musik, zumal 1830 sein Zeitgenosse Carel Anton Fodor das Dirigentenamt bei Felix Meritis abgegeben hatte und dessen Nachfolger Johannes Bernhardus van Bree (1801–1857) wenig Interesse an Kompositionen der älteren Generation zeigte. Den letzten Bruch mit dem offiziellen Amsterdamer Musikleben vollzog Wilms selbst im Jahr 1841, als er seine Mitarbeit in der Maatschappij tot Bevordering der Tonkunst (Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst) aufkündigte, deren Mitglied er seit ihrer Gründung 1829 gewesen war, und für die er ebenso akribisch wie selbstkritisch Gutachten schrieb. Seit ca. 1845 von zunehmender Erblindung geplagt ließ er sich auch im Organistenamt immer häufiger durch einen seiner Schüler vertreten; ein Jahr später wurde er von der Kirchengemeinde offiziell pensioniert. Am 19. Juli 1847 starb er im Alter von 75 Jahren.

Musikwissenschaft

Tagung an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf


Neben der Verbreitung von Wilms' kompositorischem Werk konnte im November 2015 erstmalig eine Tagung an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf stattfinden, die das Werk des Komponisten von der wissenschaftlichen Seite beleuchtete und ihn in den historisch-gesellschaftlichen Kontext der Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert stellte.

Die Vorträge dieser Tagung, die den Titel „Grenzgänge(r) um 1800“ trägt, sind in der musikwissenschaftlichen Fachzeitschrift „DIE TONKUNST“ (Juli 2016) veröffentlicht worden.

Tagungsankündigung mit Programm:

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Publikation der Tagungs-Vorträge in der Musikwissenschaftlichen Fachzeitschrift "Die Tonkunst" 2016, hg. von Yvonne Wasserloos und Uta Schmidt

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